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Pressemitteilung

Einblick in die Pathologie IgG4-assoziierter Erkrankungen

Einzelzellsequenzierung entschlüsselt krankmachende Interaktion von Immunzellen in entzündlichen Pseudotumoren des Gehirns

Auf Einzelzellsequenzierung basierende bio-informatische Analyse einer pathologischen T-Zell- (li.) und B-Zell-Interaktion (re.) von Immunzellen im entzündlichen Nervenwasser bei IgG4-assoziierter Erkrankung.

IgG4-assoziierte Erkrankungen (IgG4-RD, Immunglobulin G4-related diseases) gelten als Systemerkran­kun­­gen: Sie können praktisch alle Organe und Gewe­be des Körpers betreffen. Entzündungen und tumor­artige Schwellungen (Pseudotumoren) in den betroffenen Geweben, die zur Vernarbung nei­gen, sind typisch für die chro­ni­sche Autoimmun­krankheit. Sie entstehen durch spezielle Anti­kör­per produzie­rende Zellen des Immun­sys­tems, Im­­mun­globulin G4-produ­zierende B-Zellen, die in die Gewebe einwandern und sich dort vermeh­ren. In seltenen Fällen kann auch das Gehirn betrof­fen sein, was schwe­re neurologi­sche Sympto­me her­vorruft. Der Entstehungsprozess IgG4-asso­ziierter Er­kran­kun­gen ist bislang nur unzureichend verstanden.

Eine an der Neurologischen Klinik der Uni­versi­täts­medizin Mannheim (UMM) und dem Deut­schen Krebs­­forschungszentrum (DKFZ) entwickelte Plattform, die vornehmlich dazu dient, tumorspezifische T-Zel­len für die personalisierte adoptive T-Zelltherapie insbe­son­dere für Patienten mit hirneigenen Tu­mo­ren zu identifizieren, ge­währt nun überraschend Einblick in die Pathologie dieser Erkrankung.

Ein Forscher­team um Dr. med. Dr. rer. nat. Lukas Bunse, Assis­tenzarzt an der Neurologischen Klinik und Team­leiter in der Klinischen Kooperationseinheit Neuroimmunologie und Hirntumorimmunologie am DKFZ, fand heraus, dass spe­zielle T-Zellen, die insbesondere bei der Ausbildung des immuno­lo­gischen Gedächtnisses eine Rolle spie­len, durch eine unerwünschte Interaktion mit unreifen B-Zellen und zytotoxischen T-Helferzellen den ent­zünd­­lichen Pro­zess befeuern und ihn womöglich so­gar einleiten.

„Wir konnten erst­malig eine Kommuni­kation von T-Zellen und IgG4-RD-assozierten B-Zellen mit pathologi­schen Auswirkungen beschrei­ben“, sagt Dr. Mirco Fried­­­rich, Erstautor der aktuell veröffentlichten Arbeit. Die Wissenschaftler hoffen, auf Basis dieser fehlge­lei­te­ten Kom­mu­ni­ka­tion eine zielgerichtete Therapie für Pa­tien­­ten mit IgG4-assoziierten Erkrankungen entwi­ckeln zu kön­nen. Denkbar wäre beispielsweise, die patho­logischen Rezeptor-Liganden Interaktionen zwi­schen den Immunzellen mittels monoklonaler Anti­körper unterbinden zu können.

Für die Wissenschaftler gibt nicht nur diese Ent­deckung allein Anlass zur Freude: „Dass wir die in den ver­gangenen Jahren entwickelte Plattform auch bei seltenen neurologischen und autoimmunolo­gischen Erkrankungen anwenden können, ist eine äußerst spannende Perspektive“, erklärt Professor Dr. Micha­el Platten, Direktor der Neurologischen Klinik und Lei­ter der Klinischen Kooperations­einheit Neuroimmuno­logie und Hirntumorimmunologie am DKFZ. „Die Platt­form dient eigentlich der Charakte­risierung von Immunrezeptoren, auf der Basis von Einzelzell­se­quen­­zierungen und -Transkriptomanalysen. Dabei geht es spe­ziell darum, die Spezifität von T-Zell-Rezep­toren und deren Verwend­bar­keit für die Thera­pie im Kon­text von Tumorerkran­kun­gen oder auch der Auto­immuni­tät zu eruieren.“

„Einzelzellsequenzierungen haben nicht nur die Grund­­lagen­wissenschaften revolutioniert, sondern können für die Differenzialdiagnostik bei seltenen Erkrankun­gen auch einen Mehrwert in der Klinik haben“, ergänzt Bunse.

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