Ein Strang dieses miRNA-Duplex wird dann normalerweise zu einer reifen, aktiven miRNA und assoziiert sich mit weiteren Molekülen zu einem sog. RISC-Komplex, der andere Strang wird degradiert. Jeder RISC-Komplex enthält dabei neben der einsträngigen kleinen RNA ein Protein aus der sog. Argonauten-Familie. Die miRNA, unterstützt von dem Argonauten- Protein, bindet meist an die 3’-UTR -Region einer bestimmten Ziel-mRNA durch die sog. “Seed”-Sequenz (meist die Nukleotide 2-7) und führt, je nach perfekter oder imperfekter Komplementarität zur entsprechenden Sequenz an der Ziel-mRNA, zu deren Degradation oder zur Hemmung der Übersetzung der mRNA in das von ihr kodierte Protein. Zwischenzeitlich wurden immer mehr miRNAs als wichtige Regulatoren vieler verschiedener Phänomene identifiziert, die mit Krebs assoziiert sind. Je nach der Identität der von einer miRNA angegriffenen Ziel-mRNA kann eine miRNA sowohl als Onkogen (OncomiR) als auch als Tumor-Suppressor-miRNA wirken. Entsprechend wird gerade aktuell das Potenzial von miRNAs als neue therapeutische Ziele oder Akteure in der Krebstherapie intensiv wahrgenommen.
MiRNA-orchestrierte molekulare Netzwerke
Unser besonderes Interesse für microRNAs in der Tumormetastasierung begann mit unserer Entdeckung, dass microRNA-21 als Schlüsselregulator der Tumor- und Metastasierungs- Suppressors Pdcd4 agiert und u.a. dadurch drei wesentliche Schritte der Metastasierungskaskade (Invasion, Intravasation, Metastasierung) anregt, ein Mechanismus, der inzwischen von mehreren anderen Arbeitsgruppen und Arbeiten bestätigt wurde. In der Folge charakterisierten wir weitere spezifische miRNAs bzw. miRNA-Familien als neue positive oder negative Regulatoren der Metastasierung verschiedener Karzinome, z.B. miR- 200c, miR-34a, oder die miR-30-Familie. In unseren aktuellsten Arbeiten charakterisierten wir, zusammen mit zahlreichen nationalen und internationalen Kooperationspartnern, mehrere miRNA-orchestrierte molekulare Netzwerke, die für die Metastasierung von zentraler Relevanz sind, z.B. ein Netzwerk aus miR-21, miR-34a, Pdcd4, Src, und PTEN.
Als besonders relevant auch für weitere Hypothesenbildung auf diesem Gebiet in der Zukunft erachten wir unsere Publikation an resezierten Metastasengeweben von Kolonkarzinomen, in der wir basierend auf einer systematischen Hypothesengenerierung durch miRNA- Profiling im Vergleich zu den korrespondierenden Primärtumor- und Normalgeweben eine metastasen-spezifische miRNA-Signatur herausarbeiten konnten. Daraus wiederum erarbeiteten wir mechanistisch ein neues molekulares Netzwerk aus 4 miRNAs bzw. miRNA- Familien, die über die teilweise gemeinsame Regulation von 5 neuen molekularen Zielstrukturen verschiedene Teilschritte der Metastasierungskaskade in vitro u in vivo steuern.
Ferner konnten wir an Daten von über 6000 Patienten mit 15 verschiedenen Tumorentitäten feststellen, dass die molekularen Akteure dieses neuen Netzwerkes in diesen Tumoren ebenfalls signifikant dereguliert sind, was die Hypothese zulässt, dass das von uns charakterisierte molekulare Netzwerk für die Metastasierung mehrerer Tumorentitäten von genereller Bedeutung ist und eine vielversprechende Grundlage für eine daraus resultierende zukünftige Entwicklung von Biomarkern, Diagnostika oder ggf. sogar neuen Therapeutika sein könnte. Aktuell laufende Arbeiten bei uns bauen konsequent auf diesen Daten auf und haben es zum Ziel, die wesentlichen genomischen und epigenetischen Ursachen für die Deregulation dieser miRNAs in der Metastase zu identifizieren, sowie miRNA-regulierte molekulare Netzwerke, die für die Metastasierung in bestimmte Organe wesentlich sind.