Eines der bestcharakterisierten tumorassoziierten Proteasen-Systeme ist das Urokinase (u- PA)-System. Die 55kDa-Serinprotease u-PA aktiviert inaktives Plasminogen zu Plasmin und degradiert damit indirekt oder direkt Fibrin, Fibronektin, Proteoglycane, Laminin und Kollagen Typ IV. In seiner Aktivität wird u-PA durch vielfältige Interaktionen mit anderen Proteasen- und Inhibitorsystemen modifiziert und insbesondere durch die Bindung an seinen spezifischen u-PA-Rezeptor (u-PAR) um ein Vielfaches potenziert. U-PAR, ein 45-60kDa, stark glykosylierter Zelloberflächenrezeptor, besteht aus drei einander ähnlichen Proteindomänen (jede ca. 90 Aminosäuren) und konzentriert den proteolytischen Effekt von u-PA durch seine hohe Flexibilität innerhalb der Zellmembran, welche durch einen Glycolipid-Anker bedingt ist. Entsprechend besitzt rezeptor-gebundene u-PA eine 40fach niedrigere Km für Plasminogen als nichtgebundenes Enzym.
Effizientes proteolytisches System
Durch Bindung eines spezifischen Inhibitors, PAI-1, und durch Interaktion mit dem α-2-Makroglobulin-Rezeptor wird der u-PA/u-PAR Komplex in die Zelle internalisiert, die Liganden lysosomal degradiert und der freie u-PAR an die Zelloberfläche rezirkuliert, so dass er für die Bindung eines weiteren u-PA Moleküls zur Verfügung steht. Dies resultiert in einem flexiblen, dynamischen und sehr effizienten proteolytischen System. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass u-PAR darüberhinaus in diversen Karzinomen im Gegensatz zu entsprechenden normalen Zellen überexprimiert wird. Dazu zählen neben Tumoren des Gastrointestinaltraks (Magen- und Colonkarzinom) unter anderen Mammakarzinome, Prostata-, Bronchial- und Ovarialkarzinome. Prospektive Studien etablierten u-PAR und/oder u-PA/PAI-1 entsprechend bei dieen und anderen Tumorerkrankungen als neue, biologische Risikofaktoren, die signifikant mit einem ungünstigen klinsichen Verlauf korrelierten (mehr Detailinformationen bitten wir u.a. aus den zitierten Referenzen und aus Übersichtsarbeiten unserer und anderer Arbeitsgruppen zu entnehmen).
u-PAR-System als neuer prognostischer Risikofaktor
Unsere Arbeitsgruppe hat seit ca. 1993 kontinuierlich zur Hypothesengenerierung dazu beigetragen herauszufinden, wie der u-PAR molekular agiert und in der Krebszelle reguliert wird, und wie dies zu einer detaillierteren Risikoklassifizierung, Diagnostik und Therapie maligner Tumoren beitragen könnte. Entsprechend etablierten wir das u-PAR-System als neuen prognostischen Risikofaktor beim Magenkarzinom und identifizierten u-PAR als ein Charakteristikum des metastatisch relevanten Phänotyps in der minimal residualen Tumorerkrankung des Magen- und auch Colonkarzinoms.
Darüberhinaus identifizierten wir die wesentlichen Regulatoren des u-PAR auf transkriptionaler Ebene und zeigten in translationalen Arbeiten, dass die Transaktivierung des u-PAR-Gens durch verschiedene Promoterelemente bei verschieden hoher Tumorzellspezifität erfolgt, eine Tatsache, die zu einer Patentierung führte (Patent-No eu PCT/EPO3/01671. Tissue Specific Expression). Entsprechend fanden wir, dass wir unter Einbeziehung spezifischer transkriptionaler Regulatoren des u-PAR und weiterer Parameter in der Lage waren, komplett neue Hochrisikogruppen von Patienten innerhalb einer von uns molekular erweiterten Tumorklassifikation zu definieren.
In jüngster Zeit wiesen wir schliesslich eine anti- metastatische Wirkung u.a. des EGFR-Inhibitors Cetuximab über eine Inhibition des u-PAR nach und schlugen u-PAR als neuen Biomarker der Therapieantwort auf Cetuximab vor. Erstmals gelang uns auch der Nachweis einer Metastasierungsinhibition durch das Anti- Malaria-Medikament Artesunat über die Hemmung des u-PAR-Liganden u-PA und verschiedener Matrix-Metalloproteinasen (MMPs). Ferner zeigten wir, dass der neue Tumorsuppressor Pdcd4 insbesondere über die Herunterregulation von u-PAR auch ein neuer Suppressor der Metastasierung ist, und dass microRNA-21 über die Hemmung der Translation von Pdcd4 drei essenzielle Schritte der Metastasierungskaskade (Invasion, Intravasation, Metastasierung) anregt. Dies führte konsequent zu unserem aktuellen Interesse an microRNAs als wichtige Akteure in der Metastasierung.