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Frau Christ. Pro Familia ist seit Jahrzehnten in der Beratung und Begleitung von Frauen vor einem Schwangerschaftsabbruch tätig. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, mit denen ungewollt Schwangere aktuell konfrontiert sind?
Also wenn man ungewollt schwanger wird, dann ist es ja zunächst mal ein Schock. Vor allem, wenn es gar nicht Bestandteil der Lebensplanung oder des Lebensentwurfs ist oder zum aktuellen Zeitpunkt nicht. Das heißt ja, da gehen dann die Überlegungen los, muss eine sehr, sehr persönliche Entscheidung getroffen werden. Gleichzeitig stellen die Frauen dann fest, so ohne Weiteres ist es gar nicht möglich. Es wird ihnen so gar nicht zugestanden. Vor einem Schwangerschaftsabbruch sind einige Voraussetzungen zu erfüllen. Das fängt an mit einer verpflichtenden Beratung, bei der sich dann die Frau offenbaren muss. Das geht dann weiter mit den Kosten, denn die Kosten werden bei einem Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen nicht von den Krankenkassen übernommen. Es gibt zwar Kostenerstattung durch das Land, doch das ist dann natürlich auch ein Antragsverfahren. Das sind weitere Wege und man muss sich noch mal an der Stelle offenbaren. Es geht weiter damit, dass man eine Ärztin oder einen Arzt finden muss. Gerade bei operativen Abbrüchen ist es zunehmend schwierig, weil es immer weniger Medizinerinnen gibt und Mediziner, die das auch durchführen. Also das ist eine, Ja, das ist eine weite Strecke.
Viele Kliniken führen keine Schwangerschaftsabbrüche durch und viele Gynäkologen, die Abbrüche durchgeführt haben, gehen in nächster Zeit in den Ruhestand. Was bedeutet das für Ihre Arbeit und vor allem für Frauen, die sich an Pro Familia wenden?
Für die Frauen bedeutet es natürlich dann, längere Wege in Kauf zu nehmen, mehr Aufwand zu betreiben, um jemanden zu finden, bedeutet auch höhere Kosten, weil wir unter Umständen weiter fahren muss. Für die Schwangerenberatungsstellen bedeutet es auch einen höheren Aufwand, auch überregional zu recherchieren.
Das ist tatsächlich, das besorgt uns.
Was wünschen Sie sich von Politik, medizinischen Einrichtungen und der Gesellschaft, damit Schwangerschaftsabbrüche endlich als Teil regulärer Gesundheitsversorgung behandelt werden und nicht als Ausnahme?
Also ganz zentral ist natürlich unser Wunsch, dass es endlich außerhalb des Strafrechts geregelt wird und dass der Paragraph 218 nicht mehr die maßgebliche Regelung für den Schwangerschaftsabbruch ist. Das muss außerhalb geschehen. Das ist auch die Forderung vieler internationaler Vereinbarungen, die Deutschland auch mitunterzeichnet hat. Und das ist zumindest mal die wichtigste Grundlage. Dann muss es natürlich auch aus diesem Stigma raus. Es muss in der Fort- und Weiterbildung der Medizinerinnen auch vorkommen.
Was bedeutet es für Sie persönlich als Geschäftsführerin von Pro Familia, dass Schwangerschaftsabbrüche noch immer nicht flächendeckend zugänglich sind?
Also eigentlich ist es tatsächlich empörend, dass im 21. Jahrhundert immer noch solche Zustände herrschen, dass man tatsächlich fast, ja hinter vorgehaltener Hand nach sowas suchen muss, dass man nicht offen drüber reden kann vielerorts. Also das ist tatsächlich eigentlich kein zumutbarer Zustand. Das muss sich ändern.
Pro Familia versteht sich auch als politische Stimme für sexuelle Selbstbestimmung. Wo sehen Sie aktuell den größten Handlungsbedarf in der öffentlichen und politischen Debatte rund um den Schwangerschaftsabbruch?
Also in der Öffentlichkeit ist es tatsächlich ja gar nicht so strittig, in den letzten zwei Jahren gab es mehrere repräsentative Erhebungen, die klargestellt haben, dass eine sehr große Mehrheit der Bevölkerung längst dafür ist, dass der Schwangerschaftsabbruch entkriminalisiert wird. Das Problem liegt bei der Politik, die nicht ins Handeln kommt. Das heißt, man muss einfach in der nächsten Zeit auch den öffentlichen Druck da weiter aufrechterhalten und auch einfordern, was auch tatsächlich, sexuelle und reproduktive Rechte Menschenrechte, die auch Deutschland mit unterzeichnet hat, dass die auch tatsächlich so umgesetzt werden.
Vielen Dank.