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Frau Dr. Spallek, Sie engagieren sich bei Doctors for Choice und sprechen sich klar dafür aus, dass der Schwangerschaftsabbruch zur regulären gynäkologischen Versorgung gehören sollte. Warum ist das für Sie so wichtig?
Ungewollte Schwangerschaften gehören zum Leben von gebärfähigen Personen dazu. Das heißt, wenn wir unsere Pflicht der Versorgung als Ärzte und Ärztinnen nicht wahrnehmen, lassen wir unsere Patientinnen im Stich und das würde letztendlich zu unsicheren Abbrüchen führen. Und medizinisch gesehen ist es kein anspruchsvoller oder besonders schwieriger Eingriff. Man kann es mit einer Blinddarmentfernung vergleichen. Und somit finde ich, sollte es Teil der regulären Grund- und Regelversorgung sein.
Sie sind Assistenzärztin in der Ausbildung. Was erleben Sie im klinischen Alltag und in der Facharztausbildung zum Thema Schwangerschaftsabbruch? Kommt das ausreichend vor?
Nein, das kommt nicht ausreichend vor. Man kann Fachärztin, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe werden, ohne einen Abbruch durchgeführt zu haben oder eine Patientin, die einen Abbruch wünscht, betreut zu haben. Da es nicht Teil der Weiterbildungsordnung ist. Und im klinischen Alltag erlebe ich immer wieder, dass es Kliniken, wo der Abbruch durchgeführt wird, auch eher ein Thema ist, das gemacht werden muss und nicht etwas, wo man sich intensiv damit beschäftigt, wie man eine bestmögliche Versorgung ermöglichen kann.
Was wünschen Sie sich von Ihrer Berufsgruppe, von erfahrenen Kollegen und Kolleginnen, von Leitungen und auch von der Politik, damit sich die Versorgungslage nachhaltig verbessert?
Also von der Politik wünsche ich mir vieles: Dass generelle Themen rund um reproduktive und sexuelle Rechte fokussiert werden. Dass zu Entstigmatisierung beigetragen wird, dass Paragraph 218, der Abbrüche strafbar macht, gestrichen wird, so dass der Eingriff von den Krankenkassen vergütet werden kann und übernommen werden kann.
Und von den Leitungen in den Kliniken wünsche ich mir natürlich, dass sie, wenn die Möglichkeit besteht und das es an vielen Krankenhäusern der Fall dieser auch durchgeführt wird. Und es gibt aber auch immer wieder Fälle, wo dann Krankenhäuser fusionieren und der Träger katholisch wird zum Beispiel. Und da würde ich mir von der Politik wünschen, dass es nicht sein kann, dass ein kirchlicher Träger vorgeben kann, ob eine Patientin einen Abbruch bekommen kann oder nicht. Denn letztendlich sind wir Ärzte und Ärztinnen frei zu entscheiden, wie wir unsere Patientin behandeln möchten. Und ich finde nicht, dass da die kirchlichen Träger so viel reinreden dürfen sollten.
Wie reagieren Patientinnen oder Kollegen und Kolleginnen auf Sie, wenn sie offen sagen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche als Teil ihrer ärztlichen Tätigkeit verstehen?
Ich finde, viele sind schon verwundert, dass es mir so eine Herzensangelegenheit ist, denn es ist ja natürlich kein Eingriff, der für viele mit jetzt positiven Emotionen verbunden ist. Aber wenn ich dann Patientinnen erzähle, dass ich Abbrüche mache und dass ich sie empathisch behandle und nicht bevormunde, dann sind viele erleichtert und positiv gestimmt. Und das versuche ich dann auch, meinen Kollegen und Kolleginnen zu vermitteln, dass wir eine Verantwortung haben und dass das auch etwas ist, was einem viel zurückgeben kann.
Haben Sie in Ihrer Ausbildung selbst erlebt, dass der Schwangerschaftsabbruch eher tabuisiert oder ausgeklammert wurde?
Ja, ich habe in Aachen studiert, und dort war der Schwangerschaftsabbruch nicht Teil der gynäkologischen Lehre. Daraufhin habe ich Medical Students for Choice in Aachen gegründet und bin auch Doctors for Choice beigetreten und musste mir das Wissen sozusagen selbst aneignen. Und wir haben dann auch über mehrere Jahre mit der gynäkologischen Lehre diskutieren müssen, dass ist eine Vorlesung zu dem Thema gibt und auch in Mannheim, die Uniklinik habe ich mir aktiv aussuchen müssen, um dort den Schwangerschaftsabbruch zu erlernen, denn es halt nicht an allen Kliniken möglich ist und somit nicht Teil der Weiterbildung ist. Muss man da viel Eigenmotivation aufbringen.
Was würden Sie einer jungen Medizinstudentin raten, die sich unsicher ist, ob sie sich mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch auseinandersetzen möchte oder gar aktiv dafür eintreten sollte?
Also ich finde, wenn man Medizin studiert, sollte man sich generell zumindest in der Theorie mal mit dem Thema befasst haben. Und wenn man dann den Wunsch verspürt, dazu mehr zu lernen, dann kann man sich natürlich über Doctors for Choice oder Medical Students for Choice vernetzen. Die haben viel Wissen, das sie anbieten können und natürlich auch so den emotionalen Support. Und generell habe ich das Gefühl, dass man weniger Hemmungen hat anzusprechen, dass man sich für das Thema engagiert, weil man auch das Gefühl hat, man hat schon einen gewissen Wissensstand dazu. Und letztendlich erlebe ich aber auch in der Gesellschaft, dass viele Leute einfach nicht zu dem Thema sprechen, aber schon dem Thema eher positiv zugewandt sind. Das zeigen auch Studien.
Vielen Dank.
Danke.