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Transkript - Prof. Dr. Marc Sütterlin

Herr Professor Sütterlin, warum haben Sie als Leiter einer Universitätsfrauenklinik entschieden, dass an Ihrer Klinik Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden?

In Deutschland ist es ja gesellschaftlicher und politischer Konsens, dass Frauen mit Konfliktschwangerschaft die Option eines Schwangerschaftsabbruchs offen stehen soll. Dementsprechend bin ich der Auffassung, dass es auch eine Aufgabe von uns Frauenärztinnen und Frauenärzten ist, Betroffenen in dieser Notlage auch zu helfen.

Viele Kliniken in Deutschland bieten Schwangerschaftsabbrüche aber nicht an. Was macht das mit Ihnen als Arzt, wenn Frauen weite Wege auf sich nehmen müssen, um hier behandelt zu werden?

Ja, zunächst mal macht mich das natürlich betroffen. Zum anderen zeigt das aber natürlich auch, dass dadurch die Belastung derjenigen, die bereit sind, das zu tun, natürlich erhöht wird. Ich möchte in dem Zusammenhang aber auch erwähnen, dass ich einen gewissen Weg, sagen wir mal, 30 Kilometer, für durchaus zumutbar halte in dieser besonderen Notlage, die ja wahrscheinlich nur sehr selten im Leben einer Frau zum Tragen kommen dürfte.

Was wünschen Sie sich politisch oder strukturell, um eine bessere Versorgungslage für betroffene Frauen in Deutschland zu erreichen?

Ja, mein Wunsch bezieht sich vor allem auf Frauen mit dem Wunsch nach einem Spätabbruch aufgrund einer schwerwiegenden psychischen Belastung wegen einer sehr schwerwiegenden Erkrankung oder einer Missbildung des Kindes. Hier würde ich mir eine Vereinheitlichung der juristischen Betrachtungsweise durch die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaften wünschen, um einfach zu einer besseren Entkriminalisierung dieses Vorgangs zu kommen.

Welche Rolle spielt der Schwangerschaftsabbruch in der medizinischen Ausbildung an Ihrer Fakultät und was möchten Sie dem ärztlichen Nachwuchs in diesem Zusammenhang mitgeben?

Ja, bei uns ist es Teil der routinemäßigen Ausbildung, um Vorbehalte gegen das Verfahren möglichst gar nicht erst aufkommen zu lassen. Wir versuchen den Studierenden einfach auch die Notlage, in der sich die Frauen selber befinden, vor Augen zu führen. Und wir versuchen zu vermitteln, dass die Option Schwangerschaftsabbruch eben auch eine integrale Komponente der umfassenden Versorgung von Schwangeren Frauen ist und dass es aus unserer Sicht schwierig ist, pränatale Diagnostik in großem Umfang zu betreiben, aber dann Frauen im Problemfall nicht weiterzuhelfen.

Wie erleben Sie die öffentliche Debatte zum Thema Schwangerschaftsabbruch? Fehlt es Ihrer Meinung nach an fachlicher Sachlichkeit?

Ja, das lässt sich schnell beantworten. Ja, das ist so!

Was würden Sie sich von anderen Kliniken, insbesondere von Universitätskliniken, wünschen, wenn es um die Verantwortung in der Versorgung ungewollt Schwangerer geht?

Ja, da ich keine deutsche Universitätsfrauenklinik kenne, die nicht auch pränatale Diagnostik in großem Umfang durchführt, würde ich mir natürlich wünschen, dass alle Kliniken auch da Verantwortung übernehmen, wenn es um die Betreuung von Frauen geht, die sich aus den genannten Gründen dann Schwangerschaftsabbruch meistens dann ja an den Unikliniken in späterer Woche wünschen.

Vielen Dank.

Sehr gerne.

Kontextspalte

Prof. Dr. Marc Sütterlin
Klinikdirektor Frauenklinik UMM

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Interview