Fachtag
„Femizide – Hochrisikofälle und Präventionsarbeit“
17. März 2023, von 12.45 bis 18.30 Uhr
"Jeden dritten Tag" – stirbt eine Frau, weil sie eine Frau ist. Sie wird von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet. Eine solche Tötung wird als Femizid, als Frauenmord, bezeichnet. Erstmals hat Diana Russell diesen Begriff für geschlechtsspezifische Morde verwendet. Das war 1979. Doch öffentlich bekannt wurde die Bezeichnung erst in den 1990er Jahren, als in der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez Frauen gewissermaßen serienmäßig entführt, gefoltert und häufig sehr grausam getötet wurden. Die Stadt steht bis heute sinnbildlich für Gewalt gegen Frauen.
Doch Femizide sind kein lokales oder nationales Phänomen. Femizide sind ein globales Problem. Viele lateinamerikanische Länder haben erschreckend hohe Femizidraten, obgleich auch in Afrika, Asien, Europa Frauen aufgrund des Geschlechts getötet werden. UN Women stellte erst jüngst fest, dass die Zahlen alarmierend hoch sind und dass jede Stunde fünf Frauen weltweit umgebracht werden. Trotz neuer Strafgesetze werden jährlich in Europa etwa 3.000 Frauen umgebracht. In Deutschland bewegen sich die Zahlen auf hohem Niveau. 2016 wurden 155 Frauen umgebracht, im 2020 waren es 139 und im vergangenen Jahr nur 113. Doch im Vergleich mit anderen europäischen Ländern sind die Zahlen nach wie vor sehr hoch und mahnen zur Besorgnis.
Statistisch gesehen ist das Zuhause der gefährlichste Ort für eine Frau, und die größte Gefahr geht vom Partner oder Ex-Partner aus. Dabei sind Femizide kein Kennzeichen bestimmter sozialer Schichten oder ethnischer Herkunft. Sie sind vielmehr mit verfestigten patriarchalen Denkmustern und Handlungsweisen verbunden. Mit derartigen Morden geben Männer ihren Besitzanspruch zu erkennen. So gelten Frauen, die sich getrennt haben bzw. trennen wollen, nachweislich als besonders gefährdet. Diesen Frauen (seien es Töchter, Ehefrauen, Mütter) sprechen die Täter ein freies selbstbestimmtes Leben ab. Hinzukommt, dass die deutschen Medien bis heute über diese Taten vielmals als „Beziehungstaten“ und „Familiendramen“ berichten. Während der Begriff Femizide schon seit über zwei Jahrzehnten in vielen westlichen Ländern gebräuchlich ist, fand er in Deutschland auffällig lange keine Verwendung. Die Medien blieben hierzulande bei romantisierenden und banalisierenden Beschreibungen, die den betroffenen Frauen / Opfern häufig eine Mitschuld zuschrieben. Erstmals im November 2022 hat das Bundesinnenministerium offiziell von Femiziden gesprochen, um Tötungsdelikte von Frauen zu beschreiben. Immerhin.
Das Gleichstellungsbüro der Medizinischen Fakultät Mannheim nimmt sich dieses wichtigen frauenrechtlichen Themas an. Ziel des Fachtags ist es, relevantes Wissen zu dieser extremen Gewalt gegen Frauen zu vermitteln und die Präventionsarbeit sowie den Umgang mit Hochrisikofällen genauer zu beleuchten.
Prof. Dr. Kristina Wolff vom Femicide Observation Center Germany wird über die Ursachen, das Ausmaß und die Folgen von Femiziden sprechen und insbesondere den politischen Handlungsbedarf anhand der Istanbul-Konvention identifizieren. Martin Kast, Richter am AG Mannheim, wird erörtern, inwieweit das Familienrecht vor Gewalt schützen kann. Markus Becker vom Polizeipräsidium Mannheim wird über das Hochrisikomanagement „Odara“ referieren und Schutzmaßnahmen betrachten. Dr. Marie-Luise Löffler, kommunale Gleichstellungs- und Frauenbeauftragte der Stadt Heidelberg, wird das Projekt „GUIDE4YOU“ vorstellen und darlegen, inwieweit es als ein Beispiel für andere Städte und Gemeinden gelten kann, und Kristina Wojtanowski wird von ihrer Arbeit als GUIDE4YOU-Lotsin für betroffene und von Gewalt bedrohte Frauen berichten.