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Der Schwangerschaftsabbruch und die Versorgungssituation an Kliniken und in niedergelassenen Praxen

Fachtag an der UMM am 30. April 2025, 12.00 – 18.00 Uhr (hybrid: Tridomus B S43 oder online)

Schätzungen zufolge ist fast jede zweite Schwangerschaft weltweit nicht gewollt – in Zahlen sind das etwa 121 Millionen. Diese hohe Zahl ist nicht nur auf persönliche Umstände zurückzuführen, sondern auch auf strukturelle Probleme im Bereich der reproduktiven Gesundheit. Viele Frauen und Mädchen haben in den meisten Ländern keinen Zugang zu sicheren, erschwinglichen und geeigneten Verhütungsmitteln. Darüber hinaus ist Sexualaufklärung oft unzureichend oder fehlt ganz, was dazu führt, dass grundlegende Kenntnisse über Verhütung und Familienplanung nicht in der notwendigen Weise vermittelt werden. In vielen Teilen der Welt sind Sexualität, Verhütung und Familienplanung nach wie vor Tabu-Themen, die häufig nicht offen diskutiert werden.

Zum Recht auf reproduktive Gesundheit gehört der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen. Eine Schwangerschaft und das Kinderkriegen sind für eine Frau eine lebensprägende Erfahrung und eine enorme Herausforderung für ihren Körper und ihre Psyche. Ein Kind bedeutet eine Verpflichtung auf lange Zeit. Daher sollte eine Frau das Recht haben, über die Fortsetzung der Schwangerschaft und das Austragen des Kindes selbstbestimmt und ohne äußeren Druck zu entscheiden. Diese Haltung spiegelt sich in Empfehlungen auf internationaler Ebene wider. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht das Recht auf sicheren Schwangerschaftsabbruch als einen grundlegenden Bestandteil der Gesundheitsversorgung und betont, dass der Zugang zu sicheren Abbrüchen für die gesundheitliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen unverzichtbar ist. Auch das internationale Recht bekräftigt in Abkommen wie der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) das Recht von Frauen auf reproduktive Selbstbestimmung einschließlich des Abbruchs.

In Deutschland regeln §§ 218, 219 StGB den Schwangerschaftsabbruch. Das Gesetz sieht einerseits eine Fristenlösung und andererseits sog. Indikationen vor. Ein Schwangerschaftsabbruch ist grundsätzlich strafbar, es gibt jedoch Ausnahmen. Der Abbruch bleibt straffrei, wenn die Schwangere sich drei Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle beraten lässt und dem Arzt eine Bescheinigung vorlegt. Der Abbruch muss innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis erfolgen. Wenn medizinische Gründe (Gefahr für Leib oder Leben er Schwangeren) vorliegen oder die Schwangerschaft aus einem Sexualdelikt resultiert, ist der Abbruch nicht nur straffrei - er ist außerdem auch nicht rechtswidrig. In diesen Fällen übernimmt die Krankenkasse die Kosten.

Diese rechtlichen Vorgaben bedürfen der Durchsetzung. Der Staat ist verpflichtet, flächendeckende Zugangsmöglichkeiten zu schaffen, damit Frauen eine ungewollte Schwangerschaft sicher abbrechen können. Doch die Versorgungslage ist regional sehr unterschiedlich und teils defizitär. Lt. Elsa-Studie haben mehr als 60 Prozent der Kliniken und Praxen in Deutschland keine ausreichenden Kapazitäten, um alle angefragten Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Vor allem die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz gelten als unterversorgt. Benachteiligt sind insbesondere Frauen im ländlichen Raum, die oft weite Wege zurücklegen müssen, um einen Abbruch vornehmen zu lassen. Daraus resultieren physische, psychische und finanzielle Belastungen.

Belastungen sind aber auch jene Ärzte und Ärztinnen ausgesetzt, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Viele von ihnen sind einem Stigma ausgesetzt, weil sie in der Gesellschaft und innerhalb der Ärzteschaft vielmals als "Abbruchärzte" gelten. Nicht selten sind sie vielfältigen Übergriffen ausgesetzt – Anfeindungen, Drohungen und Hetze seitens sog. Lebensschützer. Nur ein Teil dieser Ärzte und Ärztinnen bekennt sich öffentlich zu diesen medizinischen Eingriffen.

Das Gleichstellungsbüro der Medizinischen Fakultät Mannheim greift mit diesem Fachtag ein Frauenthema auf, das die deutsche Politik und Gesellschaft seit über 150 Jahren beschäftigt.

Ziel des Fachtags ist es, die bestehenden Versorgungslücken aufzuzeigen, die rechtlichen und faktischen Herausforderungen für betroffene Frauen und Fachkräfte herauszuarbeiten und Lösungen für eine optimale medizinische und psychosoziale Versorgung zu entwickeln. Ausgewählte Experten und Expertinnen werden vortragen; sie werden unter anderem die Ergebnisse der Elsa-Studie vorstellen, den Beratungsalltag sowie Unterstützungsangebote für betroffene Frauen thematisieren und darlegen, mit welchen Herausforderungen Gynäkologinnen und Gynäkologen konfrontiert sind, die Schwangerschaftsabbrüche in Kliniken oder niedergelassenen Praxen durchführen.

Der Fachtag richtet sich an alle interessierten Personen, die sich für eine gleichberechtigte und sichere reproduktive Gesundheitsversorgung einsetzen möchten. Vor allem Fachkräfte aus den Bereichen Medizin, Wissenschaft, Soziale Arbeit, Psychologie und Justiz sind herzlichst eingeladen.

Die Teilnahme ist kostenlos.

Ort: Der Fachtag findet als hybride Veranstaltung an der UMM Mannheim statt (Tridomus B S43), d. h. eine Teilnahme ist vor Ort als auch online möglich.

Anmeldung: anmeldung-fachtag@remove-this.medma.uni-heidelberg.de
Wir bitten Sie, bei der Anmeldung Ihre Kontaktdaten (Name, Anschrift, E-Mail-Adresse) sowie Tätigkeit und Institution anzugeben.

Anmeldeschluss ist der 28. April 2025.

Veranstalter: Das Gleichstellungsbüro der Medizinischen Fakultät Mannheim in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Mannheim und der Beauftragten für Chancengleichheit.

Kontakt: Gleichstellungsbüro der Medizinischen Fakultät Mannheim gleichstellungsbuero@remove-this.medma.uni-heidelberg.de

Fortbildungspunkte: Bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg sind Fortbildungspunkte beantragt.

Programm

12:00 Uhr
Grußwörter:

Prof. Dr. Susanne Saußele, Gleichstellungsbeauftragte der Medizinischen Fakultät  Mannheim und Oberärztin an der UMM

Prof. Dr. Marc Sütterlin, Direktor der Universitätsfrauenklinik Mannheim

Moderation:

Kirsten Schmitz (Geschäftsführerin profamilia HD) 

12.15 Uhr
Versorgungssituation in Deutschland – die Ergebnisse der Elsa-Studie

Prof. Dr. Daphne Hahn, Hochschule Fulda, Professorin für Gesundheitswissenschaften und empirische Sozialforschung, Projektleitung ELSA

13.15 Uhr
Die Versorgungssituation in Baden-Württemberg

Gudrun Christ, Geschäftsführerin pro familia Baden-Württemberg

13.45 Uhr Pause

14.00 Uhr
Beratungsarbeit, Unterstützung und Orientierung bei ungewollter Schwangerschaft

Kirsten Schmitz, Geschäftsführerin pro familia Heidelberg

14.30 Uhr
Schwangerschaftsabbrüche in niedergelassenen Praxen

Dr. Kristiane Palm, Mannheim
Dr. Kristina Schäfer, Heidelberg
Friedrich Stapf, München

15.15 Uhr Pause

15.30 Uhr
Schwangerschaftsabbrüche an der Universitätsfrauenklinik Mannheim

Schwangerschaftsabbrüche nach Fristenlösung
Dr. Hannah Spallek

Schwangerschaftsabbrüche nach Indikation / Spätabbrüche
Dr. Christiane Otto

16.30 Uhr
Ausblick und Schlusswort (Ende des Fachtags)

16.45 – 18 Uhr Vernetzungstreffen 

(Ziel: Gründung eines „AK Reproduktive Rechte und Gesundheit in der Metropolregion Rhein-Neckar")

Einführung und Moderation:
Dr. Anja Titze, Gleichstellungsbüro Medma
Andrea Dalmer, Betriebliche Sozialberatung der UMM, Geschäftsbereich Personal


Einladung zum Vernetzungstreffen: "Reproduktive Rechte und Gesundheit in der Metropolregion Rhein-Neckar"

Im Anschluss an den Fachtag laden wir herzlich zu einem Vernetzungstreffen ein. Dieses Treffen bietet Fachkräften und Akteuren aus verschiedenen Bereichen die Gelegenheit, sich auszutauschen, bestehende Strukturen zu verknüpfen und gemeinsame Perspektiven für die reproduktive Gesundheit in der Metropolregion Rhein-Neckar zu entwickeln.

Ziel des Treffens ist es, Ideen zu entwickeln und zu bündeln, um mittelfristig die Gründung eines Arbeitskreises „Reproduktive Rechte und Gesundheit“ auf den Weg zu bringen. Dieser Arbeitskreis soll eine interdisziplinäre Plattform schaffen, um Fachwissen zu bündeln, Bedarfe zu identifizieren und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der reproduktiven Gesundheitsversorgung zu entwickeln. Neben dem fachlichen Austausch wird es auch darum gehen, politische Forderungen zu formulieren und gemeinsam gegenüber Entscheidungsträgern aufzutreten.

Mögliche Themenschwerpunkte des Arbeitskreises sind:

  • Sexualaufklärung und Menstruationshygiene
  • Zugang zu Verhütungsmethoden
  • Schwangerschaftsvorsorge und Mutterschaft
  • Schwangerschaftsabbruch und reproduktive Selbstbestimmung
  • Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin
  • Gesundheitliche Versorgung in der Menopause und im höheren Lebensalter

Wer ist eingeladen?

Angesprochen sind Fachkräfte und Akteur*innen aus dem Gesundheitswesen, psychosozialen Bereich und der öffentlichen Verwaltung, darunter:

  • Ärztinnen und Ärzte
  • Psychologinnen und Psychologen
  • Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter
  • Gleichstellungsakteure
  • Mitarbeitende von Behörden, Beratungsstellen und Vereinen
  • Aktivisten und Aktivistinnen von (Frauen)Gruppen, Initiativen etc.

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme und Ihr Engagement! Lassen Sie uns gemeinsam für reproduktive Rechte eintreten und die gesundheitliche Versorgung in der Region stärken.