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Nudging und Boosting auf Kinderspeisekarten

Posterpreis der Deutschen Gesellschaft für Adipositas e.V.

Welche Chance hat ein gesundes Gericht für Kinder, auf der Speisekarte ausgewählt zu werden, in Konkurrenz zum üblichen ungesunden Einerlei von Kindergerichten wie Wurst oder Schnitzel mit Pommes? Und spielt es eine Rolle, wie das Gericht auf der Speisekarte angeboten wird? Diesen Fragen ging die Medizinstudentin Jessica Markovinovic in ihrer Doktorarbeit nach, die sie am Mannheimer Institut für Public Health (MIPH) erstellte.

Sie führte dazu über rund ein halbes Jahr in dem Mannheimer Restaurant „Lavendel“ eine verblindete Experimentalstudie nach höchsten wissenschaftlichen Standards durch. Die Ergebnisse der Arbeit, mit dem Titel „Nudging und Boosting auf Kinderspeisekarten“, stellte Markovinovic beim Adipositas-Kongress 2020 anhand eines wissenschaftlichen Posters vor, das von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) e.V. mit dem mit 500 Euro dotierten Posterpreis ausgezeichnet wurde.

Ausgangspunkt der Studie waren die Ergebnisse einer bundesweiten Vor-Studie von 2019, in der ihr Doktorvater, Professor Dr. Sven Schneider, das Angebot von Kindergerichten in deutschen Restaurants wissenschaftlich untersucht hatte. Er konnte dabei zeigen, dass die Speisekarten für Kinder meist nur ungesunde Gerichte wie Wurst, Schnitzel, Pommes oder Pizza enthalten.

Jessica Markovinovic entwickelte in ihrer Arbeit gemeinsam mit dem Koch des „Lavendel“ ein gesundes alternatives Gericht für Kinder: „Gegrillte Hähnchenbrust mit buntem Gemüse und frischen Bandnudeln“. Und sie erarbeitete mit Unterstützung von Professor Dr. Jutta Mata, Professorin für Gesundheitspsychologie an der Universität Mannheim, zwei alternative Versionen der Kinderspeisekarte, von denen eine mit sogenannten Nudging- und Boostingelementen angereichert war.

Nudging (sanftes Stupsen) und Boosting (durch Informationen motivieren) sind zwei verschiedene Ansätze der modernen Verhaltensökonomie, die darauf abzielen, Menschen zu „guten“ Entscheidungen zu führen. Auf der Karte spiegelte sich dies beispielsweise in einem „coolen“ Namen für das Gericht und einer Bebilderung mit Comic-Figuren sowie in Hinweisen auf die gesunde Zubereitung und ernährungsphysiologischen Informationen für Eltern wider.

Die Ergebnisse der Studie waren unerwartet: Nach 600 Bestellungen zeigte sich zum einen, dass das gesunde Gericht lediglich bei jeder 20. Bestellung geordert wurde. Zum anderen überraschte, dass das Bestellverhalten nahezu identisch ausfiel, unabhängig von der Gestaltung der Speisekarte. Die unerwarteten und damit umso interessanteren Befunde gehen in die Forschungskooperation von MIPH und Gesundheitspsychologie der Uni Mannheim ein, die sich darum bemüht, den komplexen Prozess des Entscheidungs- und Ernährungsverhaltens von Kindern besser zu verstehen.

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