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Nach 45 Jahren zurück am Universitätsklinikum

Rüdiger Scharf ist Gastprofessor an der I. Medizinischen Klinik

Seit April ist Rüdiger E. Scharf, emeritierter Universitäts-Professor der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, als Gastprofessor der Medizinischen Fakultät an der I. Medizinischen Klinik der UMM tätig. Aktuelle Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Koordination von Forschungsprojekten und die Beratung von Nachwuchswissenschaftlern.

Ihre Karriere hat sich maßgeblich am Universitätsklinikum Düsseldorf vollzogen. Mit Ihrer Gastprofessur an der UMM kehren Sie aber auch in eine vertraute Umgebung zurück...
Scharf: Ja, hier habe ich 1977 einen Teil meiner Medizinalassistentenzeit verbracht. Anschließend war ich Assistenzarzt in der Neurologie, damals unter Professor Hallen. Mannheim ist mir stets in guter Erinnerung geblieben.

Wie kamen Sie zu Ihrem Schwerpunkt der Thrombozytenforschung? Geben Sie uns einen kleinen Abriss Ihrer wichtigsten Stationen.
Scharf: Als Postdoc an der Universität Bern habe ich mich mit Stoffwechsel-Untersuchungen der Blutplättchen befasst. Mein damaliger Mentor hat mich für die Thrombozytenforschung begeistert. Anschließend bin ich nach Düsseldorf gewechselt. Dort habe ich eine breite internistische Ausbildung erhalten und mich 1984 mit einer Arbeit über Thrombozyten und Mikrozirkulationsstörungen habilitiert. Im gleichen Jahr wurde ich in Düsseldorf zum Klinischen Oberarzt ernannt und erhielt 1986 eine Professur für Innere Medizin. 1988 wechselte ich als Heisenberg-Stipendiat nach San Diego und arbeitete als Gastprofessor am Scripps Research Institute in La Jolla. 1990 nahm ich den Ruf auf eine Professur für Hämatologie und Hämostaseologie an der Universität Bonn an. Hier war ich vier Jahre tätig, bis ich zurück nach Düsseldorf auf den Lehrstuhl für Hämostaseologie, Hämotherapie und Transfusionsmedizin berufen wurde. Nach 22 Jahren als Direktor des gleichnamigen Instituts wurde ich 2016 emeritiert.

Das klingt nach einem sehr reichen Erfahrungsschatz, der nicht brachliegen sollte…
Scharf: Richtig – zur Ruhe setzten wollte ich mich nach meiner Emeritierung nicht. Deshalb habe ich 2019 eine Einladung als Visiting Professor of Pediatrics an der Harvard Medical School und am Boston Children’s Hospital angenommen. Ohne die Corona-Pandemie wäre ich wahrscheinlich heute noch dort. So aber bin ich 2020 zurückgekehrt. Denn: Zum Home Office muss man nicht unbedingt in Boston sein!

Die Umstände kommen nun der UMM zugute. Was sind hier Ihre Hauptaufgaben als Gastprofessor der Medizinischen Fakultät?
Scharf: Die Aufgaben sind mehrschichtig. Zunächst geht es darum, Professor Dürschmied bei seinen vielfältigen Aufgaben als Klinikdirektor zu entlasten. Aus meiner Anfangszeit als Chef in Düsseldorf weiß ich zur Genüge, dass bei dem Primat der Krankenversorgung und der Fülle an organisatorischen und administrativen Aufgaben und Lehrverpflichtungen oft zu wenig Zeit für die Forschung bleibt. Das betrifft vor allem die Anleitung und Förderung junger Wissenschaftler:innen. Sie sind das Kapital jeder Fakultät. Die Betreuung und Beratung von Nachwuchswissenschaftlern ist also die beste Investition in die Zukunft.

Was heißt das konkret, wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Scharf: Projekte diskutieren, Manuskriptentwürfe redigieren und zur Publikationsreife führen, Forschungsanträge konzipieren, Drittmitteleinwerbung stimulieren und – bei Ablehnung des Antrags – Frustrationstoleranz trainieren. Ziel einer nächsten Phase wird sein, Einzelaktivitäten zu bündeln und Professor Dürschmied bei Aufbau und Etablierung eines vaskular-medizinischen Forschungsschwerpunkts zu unterstützen.

Was genau sind Ihre wissenschaftlichen Schwerpunkte?
Scharf: In Düsseldorf habe ich 12 Jahre lang als stellvertretender Sprecher einen kardiovaskulären Sonderforschungsbereich koordiniert, ein Thrombose- und Hämostase-Zentrum aufgebaut und mich im Haemophilia Comprehensive Care Center der Behandlung von Patienten mit angeborenen oder erworbenen Gerinnungsdefekten gewidmet. Meine Forschungsschwerpunkte sind insbesondere Untersuchungen molekularer und zellulärer Mechanismen der Thromboseentstehung, insbesondere im Zusammenhang mit Infektionen und Entzündungsprozessen. Wir sprechen heute von Thrombo-Inflammation. Dabei geht es darum, Fehlsteuerungen im Zusammenspiel zwischen Infektabwehr, Blutstillung (Hämostase) und Entzündungsvorgängen verstehen zu lernen. Solche Fehlsteuerungen spielen eine Rolle bei der Arteriosklerose-Entstehung, ebenso bei Reparaturprozessen nach Herzinfarkt oder Schlaganfall, aber gerade auch bei COVID-19.

Wie schätzen Sie die Bedingungen für genau diesen Forschungsbereich an der Medizinischen Fakultät ein?
Scharf: Die Voraussetzungen hierfür scheinen mir gerade in Mannheim besonders günstig: zum einen durch das von Professor Augustin geleitete European Center for Angioscience (ECAS); zum anderen durch den Sonderforschungsbereich 1366, mit Professor Augustin und Professor Goerdt als Sprechern, und das inte-grierte Graduiertenkolleg. Verbundforschung ist also berits erfolgreich am Standort etabliert. Diese Aktivitäten tatkräftig zu unterstützen und Schritt für Schritt durch einen kardiovaskulären Schwerpunkt zu ergänzen, dürfte die Herausforderung für die nahe Zukunft sein. Ich freue mich, wenn ich zur Vorbereitung dieser Mammutaufgabe jetzt einen kleinen Beitrag leisten kann.

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